Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann
Primäre Rahmen |
Das erste Organisationsprinzip von Handlungen und
Mitteilungen, das Goffman zumindest bei westlichen Gesellschaften ausfindig
macht, ist die Einordnung eines Ereignisses in primäre Rahmen im Sinne von
Interpretationsschemata, die als ursprünglich erlebt und zumeist nicht bewußt
angewandt werden. Primary framework oder primärer Rahmen ist also
Goffmans Begriff für den ursprünglichsten Typ von
Rahmen, der "dem, der ihn anwendet, die Lokalisierung, Wahrnehmung,
Identifikation und Benennung einer anscheinend unbeschränkten Anzahl konkreter
Vorkommnisse, die im Sinne des Rahmens definiert sind", erlaubt (Goffman 1977
[1974]: 31
Wir gehen von der stillschweigenden – oder überhaupt unbewussten – Annahme
aus, dass jede Situation, der wir begegnen, in einen primären Rahmen einzuordnen
sein muss. Selbst wenn uns das nicht auf Anhieb gelingt, gehen wir (zumindest in
der westlichen Welt) doch grundsätzlich davon aus, dass es auch für mysteriöse
Phänomene wie religiöse Wunder oder unbekannte Flugobjekte eine
wissenschaftliche Erklärung – einen zutreffenden Rahmen – geben muss und halten
damit unsere "Vorstellung von Normalität" (Krallmann et al: 5/21
Goffman unterscheidet zwei große Klassen von primären Rahmen: natürliche und soziale primäre Rahmen. Natürliche primäre Rahmen werden als ohne Beteiligung menschlichen Wollens erlebt, als auf rein physikalische, ,natürliche' Ursachen zurückführbar – zum Beispiel unsere Rahmen für 'Winter', 'Glatteis' und die Tatsache, dass man darauf ausrutscht. Soziale primäre Rahmen dagegen gelten als zielgerichtet, gesteuert und intendiert und schließen jede Art von 'Handlung' mit ein – wenn etwa bei Minusgraden absichtlich Wasser ausgegossen würde, um jemanden zu Fall zu bringen. Dieser Klasse von Rahmen gilt Goffmans hauptsächliches Interesse. Jeder primäre Rahmen kann durch eine Modulation transformiert werden.
© Alexandra Schepelmann 2002-2003
Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann
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