Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann
Modulation |
Key (dt. Modul) ist Goffmans Begriff für das System von Konventionen, wodurch eine bestimmte
Tätigkeit, die bereits im Rahmen eines primären
Rahmens sinnvoll ist, in etwas transformiert wird, das dieser Tätigkeit
nachgebildet ist, von den Beteiligten aber als etwas ganz anderes gesehen wird.
Den entsprechenden Vorgang nennen wir Modulation [keying]. Es geht hier also um Vorgänge, die nicht das sind, was sie zu sein scheinen –
wobei diese Tatsache allen Beteiligten bekannt ist (andernfalls handelte es sich
um eine Täuschung [fabrication]). Die Beispiele für solche keyings
sind mannigfaltig: sie reichen von Ritualen und Probedurchläufen über Spiele und
Wettkämpfe bis zu Goffmans präferiertem Beispiel, der Theateraufführung. Ebenso
wie scherzhafte Streitereien unter Freunden genauso wenig 'wirklich' feindselig
sind wie das scheinbare Angriffsverhalten der von Bateson
studierten spielenden Affen und Fischotter, so ist ein Mord auf der Bühne meist
kein 'richtiger' Mord, und den Fragen nach dem Befinden in Begrüßungsritualen
liegt selten ein ernsthaftes Erkenntnisinteresse zugrunde. All diesen
Situationen und Aktivitäten ist es gemein, dass sie sich "at one or more removes
from the primary framework of actuality" befinden (Burns 1992: 256
Bei den bisher genannten Beispielen wird der zugrunde liegende Vorgang um
eine Ebene hinaufmoduliert (upkeying). Dementsprechend gibt es auch den
umgekehrten Fall der Heruntermodulation (downkeying), bei der ein
transformiertes Stück Realität, zum Beispiel eine Theateraufführung, in einem
untransformierten Rahmen interpretiert wird. Ein
ausgezeichnetes Beispiel für beide Vorgänge liefert die folgende Szene
Two actors [Keanrick and Mossop] are on stage ... Keanrick
draws his sword and stabs Mossop very unrealistically through the armpit. Prince
George is horror-struck. Mossop sinks to the floor. ... Natürlich ist es in diesem Ausschnitt Prince George, der "can't tell when something's real and when it's not" – der also einen primären nicht von einem modulierten Rahmen unterscheiden kann. Zunächst moduliert er den transformierten, 'nicht wirklichen' Mord fälschlich hinunter in einen primären Rahmen. Er missachtet die Konventionen für einen Theaterrahmen, die eine direkte Interaktion zwischen Darstellern und Publikum verbieten, und er reagiert auf das Bühnengeschehen so, wie es der Rahmen für einen wirklichen Mord vorsehen würde: er will den vermeintlichen Verbrecher verhaften lassen. Kurz darauf moduliert er dann die echte Bombe ebenso irrigerweise hinauf in einen Theaterrahmen - der ja unter anderem vorsieht, dass Vorgänge in diesem Rahmen dem Publikum niemals gefährlich werden können. Durch die Modulation eines Ereignisses bilden sich mehrere Schichten von
Rahmen – es sind durchaus auch mehrere Schichtungen möglich und sogar geläufig.
Den eigentlichen, untransformierten, zugrunde liegenden Vorgang bezeichnet
Goffman als 'Kern' des Rahmens. Dieser ist "im Falle von untransformierten
Situationen und Ereignissen mit dem Rand des Rahmens identisch" (Krallmann et
al. [o.J.]: 8/21
Auch eine gut gemeinte oder böswillige Täuschung (fabrication) ist eine Art der Transformation von Rahmen. Der Unterschied zur Modulation besteht darin, dass es bei der Täuschung ein oder mehrere 'Opfer' gibt, die die Vorgänge um sie herum für untransformiert halten, und im Gegensatz zum Fall von Prince George, bei dem lediglich ein Rahmungsirrtum vorliegt, wird diese Situation im Falle einer Täuschung von den Urhebern bewusst herbeigeführt.
© Alexandra Schepelmann 2002-2003
Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann
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