Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann
Dialekt und Umgangssprache |
Im Gegensatz zu Code-Switches und Style Shifts auf rein lexikalischer und
syntaktischer Ebene, die sich in einem schriftlichen Medium ohne weiteres
vollziehen lassen, muss im Falle von regionalen Varietäten, die sich ja neben
gewissen lexikalischen und morphosyntaktischen Abweichungen von der
Standardvarietät besonders durch phonologische Charakteristika unterscheiden,
ganz offensichtlich auf Transkription zurückgegriffen werden. Angesichts der
Tatsache, dass es für regionale Dialekte in der Regel kein standardisiertes
Transkriptionssystem gibt (abgesehen von Ansätzen wie etwa dem "Vorschlag einer
Orthographie" für das Wienerische, ausgearbeitet von Moosmüller und Vollmann
[1999-2002: Abschnitt 3]
Nach Jahrhunderten zunehmender Standardisierung der Orthographie mag sich
jetzt (nicht nur im Zuge der Diskussion um die Sinnhaftigkeit der so genannten
Rechtschreibreform) ein Trend in die andere Richtung bemerkbar machen: allein
für das Wienerische zeugen etwa die Werke von H.C. Artmann, Wolfgang Teuschls
mittlerweile klassische Bibelübertragung Da Jesus & seine Hawara
Regionale und umgangssprachliche Merkmale werden in den vorliegenden Daten
sowohl auf phonologischer (woars, has) und lexikalischer (pflantzen,
gell) wie auch morphologischer (dacht, issa) und syntaktischer (dürf
ma sich ned entgehen lassen, wem interessiert des) Ebene
regelmäßig realisiert. Ähnliche Beobachtungen wurden auch in anderen
Untersuchungen gemacht (vgl. Gabriel 1999
Insgesamt erscheint Dialekt ... als Sozialsymbol, also als eine
stets verfügbare, sich selbstverständlich anbietende, den Beteiligten bewusste
Ressource, die jedoch sozial (Teilnehmer) und situativ (Handlungen, Modalitäten)
geschichtet eingesetzt wird. Was aber sind nun die Funktionen von Dialekt im Chat, und wie funktioniert er als Kontextualisierungshinweis? Zum einen kommuniziert er das Konzept der Mündlichkeit: MündlichkeitGemäß der Theorie, dass die Chat-Kommunikation als Modulation von
Face-to-Face-Kommunikation angesehen werden kann (vgl. Rosenau 2001
SolidaritätDie Dichotomie Solidarität – Status und die typischerweise damit assoziierte
Skala von Dialekt und Standard gehören zum klassischen Inventar der
Soziolinguistik. Durch die Verwendung regionaltypischer Merkmale wird geteiltes
Hintergrundwissen und gemeinsame Gruppenzugehörigkeit kontextualisiert und
Solidarität inszeniert. Angewandt auf die Domäne der computervermittelten
Kommunikation beobachtet etwa Herring (o.J.: 9)
intra-group CMD [Computer-Mediated Discourse] ... makes use of discursive markers of racial and ethnic identity, including culture-specific lexis and verbal genres ... Innerhalb einer (relativ) homogenen Teilnehmergruppe kann also eine geteilte
ethnische und regionale Identität auf linguistischer Ebene inszeniert werden. So
ist davon auszugehen, dass der Gebrauch dialektal gefärbter oder
umgangssprachlicher Formen auch im Chat der Inszenierung von Solidarität dient.
Zu einem vergleichbaren Schluss kommt auch Gabriel (1999)
© Alexandra Schepelmann 2002-2003
Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann
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