Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann

Backchannels und Rezipienzsignale

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Vocalisations such as uh huh, mm and oh pervade conversational interaction. They are everywhere. There can hardly be any informal face-to-face conversations which do not provide copious examples of these wee beasties. But, search as you might, you will not locate them in the overwhelming majority of literature. Plath didn't pen them, Joyce never jotted them and Shakespeare scribed them not. Why so? Are we ashamed of these diminutive, non-lexical items? Do these content-less tokens add nothing of import? Are they merely the idiosyncrasies of interaction?
Williamson 1996: keine Paginierung

Ganz im Gegenteil. Die unter 'Backchannels' oder 'Rezipienzsignale' subsumierten Phänomene spielen eine sehr gewichtige Rolle in der Face-to-Face-Interaktion. Der Terminus 'back channel signals' stammt von Yngve (1970) , der, so wie später Goffman, einen neben dem Hauptkanal existierenden "Artikulationsstrom" (Goffman 1977 [1974]: 234 ) annimmt. Dieser befindet sich in einem anderen Rahmen als der Hauptvorgang, dem die Aufmerksamkeit der Teilnehmer gilt, und steht also nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dieser "rückwärtige Kanal" (Goffman 1977 [1974]: 238 ), dessen Verarbeitung "häufig außerhalb einer bewußten Kontrolle" (Argyle 1979: 61 ) liegt, kann aber auch nicht ignoriert werden, denn er enthält wichtige Signale für die Strukturierung, und damit die Rahmung, der Interaktion: zum Beispiel "Erkennungszeichen" (Goffman 1977 [1974]: 234 ), die "Handlungen mit Handelnden in Verbindung bringen" (ibid.), Signale zum Sprecherwechsel oder eben die erwähnten Rezipienzsignale (vgl. Abschnitt Haupt- und Nebenkanäle). Auch wenn sie häufig synonym verwendet werden, sind die Termini Backchannel (oft verkürzt statt back channel signal) und Rezipienzsignal (auch Hörersignal) also nicht gleichbedeutend. Back channel signals ist der Überbegriff für die Phänomene im back channel, unter denen Rezipienzsignale eine sehr wichtige Gruppe bilden.

In diese Klasse fallen also die von Williamson genannten "[v]ocalisations such as uh huh, mm and oh", "interjections such as, "O.K.," "right," "aha," or nods or other body movements" (Gumperz 1982: 163 ) bzw. jene

sprachlichen Ausdrücke... und entsprechenden nicht-sprachlichen Signale... (z.B. hm, ja oder Kopfnicken), mit denen der Hörer dem Sprecher seine Aufmerksamkeit und seine Zuhörbereitschaft anzeigt.
Bußmann 1990: "Backchannel"

Rezipienzsignale spielen eine bedeutende Rolle als Kontextualisierungshinweise für das conversational management, also die kooperative Strukturierungsarbeit der Kommunikation durch die Interaktanten. "[T]hey... grease the wheels of conversation” (Williamson 1996: keine Paginierung ), ohne aber selbst einen Turn zu beanspruchen. Williamson (ibid.) identifiziert die beiden Hauptfunktionen der Rezipienzsignale (unter Gleichsetzung der Begriffe "back channel token" und "recipiency token") als "continuer function" und "supportive function":

Back channel tokens are recipiency tokens, uttered by the current non-speaker, which make no claim to take over a full turn at talk and which do not alter the speaker-auditor status. They typically function as (a) continuers, which serve to encourage the current speaker to continue with a stretch of talk [continuer function], and (b) to indicate understanding of the prior talk by passing an opportunity to make a repair [supportive function].

Durch Rezipienzsignale wird dem Sprecher vom Hörer also einerseits grünes Licht zum Fortsetzen seines Diskurses gegeben, andererseits Verständnis (wenn auch nicht notwendigerweise Akzeptanz) der eben erfolgten Aussage signalisiert. Damit sind Rezipienzsignale in der Face-to-Face-Kommunikation ein wichtiges Mittel, um Kooperation zu signalisieren (vgl. Gumperz 1982: 163 ) und können auch als Kontextualisierungshinweise betrachtet werden.

Studien zur Verteilung der Rezipienzsignale in natürlicher Kommunikation haben zumindest vier allgemeine Tendenzen ergeben, die Rezipienzsignalen in Face-to-Face-Interaktion zugesprochen werden können (vgl. Williamson 1996: keine Paginierung ):

    1) Rezipienzsignale tauchen in informeller Kommunikation häufiger auf als in institutionellen Settings.

    2) Frauen produzieren tendenziell mehr Rezipienzsignale als Männer.

    3) Formen und Frequenz der Signale sind kulturspezifisch.

    4) Gewisse Formen von Rezipienzsignalen sind spezifisch mit gewissen Rahmungen assoziiert. Im konzeptuellen Rahmen der Kontextualisierungstheorie würde man sie als Kontextualisierungshinweise mit einem "inherent... meaning potential" Auer (1992: 31f. ) beschreiben, welches die Interpretation des fraglichen Signals in eine bestimmte Richtung leitet. So wird etwa das anglophone Rezipienzsignal yeah häufig im Zusammenhang mit thematischen Verschiebungen gebraucht und signalisiert damit die Bereitschaft des Hörers, selbst die Sprecherrolle zu übernehmen. Mm hm dagegen wird nur gebraucht, um den Sprecher zum Fortfahren zu animieren (Jefferson 1984 , zitiert nach Williamson 1996: keine Paginierung ).

Rezipienzsignalen in IRC kommt aufgrund der gänzlich verschiedenen medialen Rahmenbedingungen eine etwas abweichende Funktion zu.


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© Alexandra Schepelmann 2002-2003

Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann