Teil der Diplomarbeit "Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat" (Originalfassung, Stand 2003) von Alexandra Schepelmann
Speech events und speech activities |
Zur Beschreibung von Kommunikationssituationen operiert Gumperz mit den Begriffen speech event und speech activity. Obgleich beide Begriffe Analyseeinheiten in der Untersuchung der Kommunikation bezeichnen, muss doch zwischen ihnen unterschieden werden.
Das speech event bildet eine Kategorie der Ethnographie der
Kommunikation. Es ist eine externe Kategorie und formal wie funktionell zeitlich
und räumlich abgrenzbar. Speech events sind also "units of verbal behavior
bounded in time and space” (Gumperz 1982: 165
) bzw. "longer strings of talk each
of which is marked by a beginning, middle and an end” (Gumperz 1992a: 44
).
Die speech activity
dagegen ist eine interaktionsinterne Kategorie und mit
Goffmans Frame- (Rahmen-)Begriff verwandt. Es
handelt sich um "members' ... constructs with respect to which the interaction is
managed and interpreted” (Gumperz 1992a: 44
). Die activity ist damit ein
Typ von Erwartungsstruktur, wie alle
Erwartungsstrukturen hochgradig konventionell und kulturspezifisch und bezieht
sich primär auf die sozialen Rollen und Beziehungen der Interaktanten:
""[A]ctivity frames basically reflect conventionalized or stereotypical notions
of interpersonal relationships” (Gumperz 1992a: 45
).
Wie generell der Rahmenbegriff in der
Kontextualisierungsforschung ist auch die speech activity keine
statische Ansammlung von Weltwissen wie etwa das 'Schema' der Diskursanalyse,
sondern ein "dynamic process which develops and changes as participants
interact” (Gumperz 1982: 131
). Anders als der Begriff des speech event,
der sich auf ein interaktionsexternes Etikett wie "Vorlesung" oder "Scherz"
bezieht, kommt die speech activity erst in der Interaktion selbst
zustande: im Sinne des flexiblen und reflexiven
Kontextbegriffs der
Kontextualisierungsforschung wird der activity type erst durch die
Kontextualisierungsleistung der Teilnehmer geschaffen (diese 'aktive' Komponente
ist auch der Grund für die Wahl des Begriffes 'activity'), beeinflusst
aber gleichzeitig jeden einzelnen move der Interaktion.
Die (oben ausgeführten) wichtigsten Punkte dieses Ansatzes rekapituliert Gumperz sehr konzis im Gespräch mit Prevignano und Di Luzio:
Activities are an aspect of Goffmanian frames and are subject
to constant change in the course of the exchange. That is, they do not apply to
events as wholes, they apply to each component move. I argue that ultimately all
interpretation at the level of discourse practice relies on these constructs.
Prevignano & Di Luzio 1997: 11
Die Annahme, dass jedwedes Verstehen nur durch Inferenzen unter Bezugnahme auf die speech activity zustande kommt, ist einer der Kernpunkte von Gumperz' Ansatz und wird von ihm selbst immer wieder betont:
[A]ll understanding, whether what is at issue is a word, a
phrase or an utterance, rests on inferences made with reference to activity
constructs.
Gumperz 1992a: 44
Das bedeutet aber nicht, dass der kommunizierte Inhalt direkt von der herrschenden activity abhängt bzw. von dieser festgelegt wird. Vielmehr wird die Anzahl der zur Verfügung stehenden Interpretationsmöglichkeiten durch die Erwartungen der Teilnehmer bezüglich des activity type eingeschränkt. In Gumperz' Worten (zusammengesetzt aus zwei verschiedenen Werken):
[B]y channelling inferences so as to foreground or make
relevant certain aspects of background knowledge and to underplay others[,]
Gumperz 1982: 131 [Hervorhebung im Original]
socioculturally based notions of how an activity is
accomplished constrain how something is interpreted. They do not
deterministically specify the content of what is said.
Gumperz 1992a: 45
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© Alexandra Schepelmann 2002-2003